Lenkgetriebe aus/einbauen

Einleitung

Der V70 hat einen Hilfsrahmen, der mit 4 dicken Schrauben an der Karosserie befestigt ist. Am Hilfsrahmen ist so ziemlich alles befestigt, was den Volvo antreibt, lenkt und bremst; der Motor steht darauf, die Achslenker sind daran befestigt, der Stabilisator auch – und das Lenkgetriebe. Um die Sache zu verkomplizieren, steht der Motor hinten nicht direkt auf dem Hilfsrahmen, sondern auf dem Lenkgetriebe. Alles ist extrem kompakt und eng verbaut.

Damit das Lenkgetriebe raus kann, muss der Motor angehoben und der Hilfsrahmen abgelassen werden. Alles in allem eine riesen Aktion…

Ein paar Fotos kommen noch, aber nicht viele: es war so eng, dass es einfach nicht ging 🙁

Noch ein Hinweis: die meisten Schrauben, die man bei der Aktion so anfasst, sind selbstsichernd und sollten laut Hersteller erneuert werden. Sie sind aber (wie alles bei Volvo) wirklich abartig teuer. Ich habe schon seit ewiger Zeit immer nur Loctite Schraubensicherungsmittel verwendet und noch nie was verloren.

Was braucht man alles

  • Hebebühne wäre toll, geht aber auch ohne (Rangierwagenheber und Unterstellböcke auf jeden Fall)
  • einen Kran oder eine Art Brücke, an die man den Motor hängen kann, die sich an den Domlagern im Motorraum abstützt
  • Steckschlüssel in allen erdenklichen Größen (10, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 19)
  • Gabelschlüssel SW19, SW22, SW32
  • Torx Stecknüsse (zumindest TX25)
  • Schraubensicherungsmittel (Loctite oder sowas) oder neue Schrauben (sauteuer)
  • Bremsenreiniger und Druckluft, um die Leitungen zu spülen/durchzublasen

Leitungsfilter

Da es bei modernen Autos keine Filter mehr in der Servolenkung gibt, reissen sich defekte Servopumpe und Lenkgetriebe gegenseitig in den Tod. Wenn also ein Ding kaputt ist, muss man das andere wohl auch tauschen. Es gibt aber schlaue Leitungsfilter, die man in die Rücklaufleitung einbauen kann; ich denke, das ist eine gute Idee, ich habe es jedenfalls getan. Die Rücklaufleitung am Volvo hat übrigens 10mm.

Ausbau

Improvisierte Brücke zum Anheben des Motors

Länge der rechten Spurstange in Geradeausstellung messen: 28cm (ok, Getriebe schon draußen)

Blick von oben auf das Lenkgetriebe; linker Pfeil ist eine von 2 T25 Schrauben vom Hitzeschutzblech; rechter Pfeil zeigt auf Befestigungsschelle des Rücklaufrohrs am Hilfsrahmen hinten

Ratsche an der Klemmschraube des Kreuzgelenks; vom linken Radkasten aus gesehen

  • Auto vorne aufbocken, gerne etwas höher. Beim Unterstellen der Böcke darauf achten, dass die hintere Hilfsrahmenbefestigung frei ist – auch die dreieckigen Stützbleche
  • Räder abnehmen
  • Lenkrad in Mittelstellung, Lenkradschloss einrasten lassen
  • Spurstangenmuttern links und rechts abschrauben (SW19) und die Gelenke aus der Befestigung am Achsschenkel drücken
  • da das Lenkgetriebe nur nach rechts rausgeht, ist es hilfreich, den linken Spurstangenkopf komplett abzunehmen, weil er sich sonst beim Rausnehmen der Lenkung immer wieder verhakt. Kontermutter SW22 lösen und mit 19er Gabelschlüssel gegenhalten, dann Spurstangenkopf abschrauben
  • die Länge einer der Spurstangen bis zum Lenkgetriebe messen, Wert aufschreiben, damit man nachher die Mittelstellung wieder hinkriegt
  • Motor-Unterschutz abschrauben (mehrere Schrauben SW12)
  • die vordere Auspufftraverse abnehmen (4x SW12); die sitzt direkt hinter dem Hilfsrahmen und ist im Weg. Dabei die Bremsleitungsclips rausdrücken
  • vorne und hinten am Hilfsrahmen, jeweils in der Mitte, sind Schellen eingeschraubt, die die Servoleitungen fixieren. Die Schrauben lösen (SW10) und die Halter abnehmen (vorne kommt man überhaupt nicht hin, weil blöde Menschen die Verschraubung auf die Oberseite des Hilfsrahmens gesetzt haben…)
  • bei geschwindgkeitsabhängiger Lenkung ist auf dem Turm am Lenkgetriebe, da wo die Lenkspindel reingeht, ein Schrittmotor. Die Kabel verfolgen und bei nächster Möglichkeit abstecken
  • oben auf dem Lenkgetriebe ist ein Hitzeschutzblech, das mit zwei T25 Torxschrauben befestigt ist. Raus damit
  • Clipse an den Servoleitungen lösen (am Hilfsrahmen und am Lenkgetriebe)
  • die Schraube, die das hintere Motorlager am Lenkgetriebe befestigt, lösen (SW14)
  • Motor leicht anheben, so dass sich das hintere Motorlager etwas vom Lenkgetriebe hebt (entweder Wagenheber mit Holzklotz unter die Ölwanne – was einem bestimmt wahnsinnig im Weg ist – oder Motor mit Brücke von oben anheben)
  • Hilfsrahmen hinten ablassen; dazu einen Rangierwagenheber unter den hinteren Teil des Hilfsrahmens stellen; die vorderen Schrauben des Hilfsrahmens 20mm lösen (SW18), aber unbedingt drin lassen. Die hinteren Schrauben ganz rausnehmen und die beiden Stützbleche komplett abnehmen (jeweils zwei Schrauben SW14)
  • das hintere Motorlager (der “Gummitopf”) ist wahnsinnig im Weg. Es hilft sehr, wenn man das Ding rausnimmt. Von oben sieht man am Motorlager einen Gummischlauch, der per Unterdruck den Dämpfungsgrad des Lagers verändert. Der Schlauch muss abgezogen werden, dann mit Verlängerung und evtl. Kreuzgelenk die Mutter (SW18 glaub ich war das) lösen. Das Lager geht dann nach unten raus
  • Wanne unterstellen und die beiden Servoleitungen am Lenkgetriebe abnehmen; die obere hat SW19, der untere SW16 (wieso würfelt Volvo eigentlich die Schlüsselweiten???)
  • Öl ablaufen lassen (Deckel am Vorratsbehälter sollte offen sein)
  • das Kreuzgelenk oben an der Eingangswelle des Lenkgetriebes lösen (SW10) und nach oben drücken; bei mir war es geklebt (Halleluja), es hat daher ein paar Klopfer gebraucht, um rauszugehen. Dankenswerterweise lässt sich die Lenkspindel über dem Kreuzgelenk zusammenschieben
  • Lenkgetriebe vom Hilfsrahmen abschrauben; das sind 4 Muttern SW15 und eine Schraube SW15.
  • jetzt kommt der beste Tip, den ich hier geben kann: die Stehbolzen am Lenkgetriebe sind beim Rausnehmen unendlich im Weg, lassen sich aber leicht mit Durchschlag und Hammer nach oben rausklopfen. Wenn ich das bloß vorher geahnt hätte…
  • Lenkgetriebe nach rechts rausnehmen, dabei viel fluchen und lamentieren, das hilft. Nach links wäre es einfacher, da geht der Turm am Lenkgetriebe aber nicht an der Kupplungsglocke vorbei. Ein Helfer hilft sehr!

Vor dem Einbau

Wenn das Lenkgetriebe getauscht werden soll, gilt es einiges zu beachten:

  • das Tauschgetriebe kommt ohne Spurstangen, die müssen vom alten Getriebe übernommen werden – oder gleich neue montiert werden, dazu gleich mehr
  • die Gummimanschette oben an der Lenkspindel ist auch nicht dabei; wenn die alte noch ok ist, freut Euch: eine neue kostet bei Volvo 50,- Taler (die spinnen, die Schweden)
  • ist das kleine Gewinde, mit dem das Hitzeschutzblech angeschraubt wird, frei? Mein Tauschgetriebe war lackiert und das Gewinde verbatzt. hab ich natürlich erst gemerkt, als es wieder drin war
  • das Kreuzgelenk war bei mir wie gesagt verklebt (!!). Vor dem Einbau des Getriebes unbedingt die Öffnung im Kreuzgelenk penibel reinigen, weil die Lenkspindel sonst nicht reingeht. Das ist sehr amüsant, wenn man das erst bemerkt, wenn das Getriebe schon wieder am Platz ist (so wie ich…)
  • neues Getriebe in Mittelstellung bringen (Messwert von vorhin verwenden)
  • die O-Ringe an den Servoleitungen erneuern (sollte man – ich hab’s gelassen, weil einer 6 Tacken kostet und mich sowas sauer macht)

Spurstangen aus/einbauen

Die inneren Spurstangen sind mit der Zahnstange verschraubt (Gabelschlüssel SW32). Beim Lösen und Anziehen der Verschraubung unbedingt die Zahnstange gegenhalten; wenn man am Lenkgetriebegehäuse gegenhält, kann gerne was kaputt gehen. Leider ist an der Zahnstange aber nix zum Gegenhalten. Jetzt kann man das alles in eine Werkstatt schleppen und da machen lassen (die haben da so Spezialzangen), oder man nimmt wie ich eine Knipex Alligator und setzt gaaanz aussen an, wo eine verkratzte Zahnstange egal ist.

System spülen

Das Hydrauliksystem sollte vor Wiedereinbau des Lenkgetriebes unbedingt gespült werden. Dazu Rücklaufleitung am Behälter und die Druckleitung an der Pumpe abnehmen. Ich habe dann ordentlich Bremsenreiniger in beide Rohre oben gesprüht und mit Druckluft durchgeblasen – das Ganze 2 mal wiederholen.

Einbau

Der Einbau geht umgekehrt, wie es immer so schön heißt. Ein paar Hinweise:

  • Getriebe von rechts wieder rein, logo
  • eine Dachlatte unter das Lenkgetriebe legen, damit es etwas höher kommt
  • Lenkspindel in Kreuzgelenk stecken; Klemmschraube mit Loctite einsetzen und mit 30Nm anziehen
  • Hilfsrahmen anheben, Dachlatte wieder raus
  • Rohrleitungsmikado sortieren und die beiden Leitungen anschließen (25Nm); die dicke oben
  • das Motorlager von unten an seinen Platz halten und von Helfer die Mutter oben anbeissen lassen
  • dann den dünnen schwarzen Schlauch nach oben legen und blind/tastend in die Gummiöffnung oben am Lager drücken
  • Mutter Motorlager oben mit 50Nm anziehen
  • den Bügel, an dem das Hitzeschutzblech abgeschraubt ist, rechts am Lenkgetriebe wieder ansetzen (wird von den Stehbolzen gehalten)
  • die 4 Stehbolzen für das Lenkgetriebe einsetzen mit einer normalen 10er Mutter (keine Stopmutter) kurz anziehen und wieder entfernen (damit die Bolzen sich setzen und nicht mehr mitdrehen)
  • richtige Muttern mit Loctite ansetzen und mit 50Nm anziehen
  • die einzelne Schraube in der Mitte ebenfalls
  • Stützbleche an der hinteren Hilfsrahmenverschraubung am Wagenboden anschrauben (nur fingerfest); Loctite verwenden
  • Hilfsrahmen soweit anheben, dass die Schrauben hinten am Hilfsrahmen wieder reingehen
  • die dicken Schrauben einsetzen (Loctite), nur fingerfest (aber schon ein paar Umdrehungen!)
  • Wagenheber raus und vorne unter den Hilfsrahmen, so dass er das Gewicht nimmt
  • Hilfsrahmenschrauben vorne raus und mit Loctitle wieder einsetzen (fingerfest)
  • Wagenheber raus, Hilfsrahmenschrauben erst links, dann rechts mit 160Nm anziehen
  • die 4 Schrauben an den hinteren Stützblechen mit 50Nm anziehen
  • Motor ablassen
  • Motorlager am Lenkgetriebe mit 50Nm festeziehen
  • Rohrleitungsclipse wieder anbringen
  • Befestigungsschellen für die Rohre hinten und vorne am Hilfsrahmen wieder anbringen
  • Hitzeschutzblech montieren
  • Leitungsclipse wieder an alter Stelle befestigen
  • Innen im Fußraum ist eine große Gummimanschette, in die ein Rollenlager für die Lenkspindel eingedrückt ist. Das Lager ist bei mir während des Einbaus rausgerutscht, was schöne Grunz- und Quietschgeräusche gemacht hat. Man sollte also mal nach dem Lager schauen und es ggf. wieder in die Manschette drücken

Entlüften

Erste Frage: welches Öl? Gar nicht so einfach. Ich hatte keinen Bock zu Volvo zu rennen und 25,- pro Liter zu zahlen, also habe ich im Liqui Moly Ölfinder gesucht. Dort steht, dass der Volo das Liqui Moly 1127 braucht. Es ist grün, das alte war aber klar bis bernsteinfarben. So what. Früher war alles besser, da hat man in alle Kisten einfach ATF reingekippt und gut war’s. In der Haynes-Reperaturanleitung steht, man könne ATF Dexron III zum Nachfüllen verwenden. Drei mal die selbe Frage, drei verschiedene Antworten.

Welches Öl man auch nimmt, man braucht etwas mehr als einen Liter.

So geht’s:

  • erst mal nicht an der Lenkung drehen
  • Vorratsbehälter auffüllen, gerne etwas über max
  • Motor kurz laufen lassen, ohne an der Lenkung zu drehen. Idee ist, dass das Öl dann im Kreis rennt, aber nicht in die Lenkgettriebehydraulik (weil ja nicht gelenkt wird). Wenn jetzt ein Filter in der Rücklaufleitung ist, bleibt evtl. noch vorhandener Dreck im Filter hängen
  • Motor nach ca. 15 sec wieder ausmachen; im Vorratsbehälter ist jetzt Schaum. Erst mal warten, bis die Luftbläschen weg sind, dann bis max nachfüllen
  • Motor nochmal laufen lassen und nachfüllen, bis der Ölstand bei max ist
  • Motor aus und das Lenkrad mehrmals von rechts nach links und umgekehrt jeweils bis zum Anschlag drehen
  • Öl nachfüllen
  • Motor an und Lenkrad wieder hin und her bis zum Anschlag lenken. An beiden Anschlägen jeweils ca. 1 Sekunde bleiben; das Überdruckventil macht auf, es zischt und die ganze Luft ist raus
  • Motor aus
  • Öl nachfüllen
  • Räder montieren, Auto auf die Räder stellen
  • Motor an, nochmal hin und her lenken
  • Öl auffüllen, falls nötig; falls jetzt zuviel drin ist mit Einwegspritze absaugen
  • Endlich fertig